Orgel

Die Orgeln sind mit Abstand die wertvollsten Gegenstände der Ausstattung der Pfarrkirche Zum Heiligen Kreuz. So musste man noch zwei Jahre auf die große Orgel warten, bis nach der Einweihung der Kirche 1899 eine gesicherte Finanzierung der Kosten von 18.000 M in Sicht war. Die kleine Orgel aus der Kirche in der Regierungsstraße war in keinster Weise in der Lage, den Raum von 13.000 Kubikmeter annähernd zu beschallen. Zeitzeugen bezeichneten den Klang und das Aussehen dieser als “kläglich”. Gewaltig erklang am Heiligen Abend 1901 das Opus 860 des Hoforgelbaumeisters Wilhelm Sauer erstmalig in der Christnacht. Der Prüfbericht des Königlichen Musikdirektors und Domkapellmeisters Max Filke vom 18.01.1902 bescheinigt der Orgel in allen Punkten beste Noten. Neben der exakten handwerklichen Ausführung wird die Wirkung des vollen Werkes als “mächtig” und die Tonfülle als “groß” bezeichnet, welches die Orgel in die Lage versetzt, bei gefüllter Kirche einen volltönenden Volksgesang vollständig zu beherrschen und zu leiten. Ursachen dafür waren die 46 klingenden Stimmen (Register) mit ihrem “Salz in der Orgel” den 4 Zungenstimmen (Trompete 8' und Posaune 16' im Pedal, Trompete 8' im Hauptmanual und Coranglais 8' im II. Manual). Die Bauweise entsprach der damals üblichen und kostengünstigeren Pneumatik mit Kegelladen. Dafür nahm man eine für die Pneumatik typische Verzögerung zwischen Anschlag des Tones und seinem Erklingen in Kauf, welches sich besonders im Pedal bis heute bemerkbar macht.

1917 mussten die Prospektpfeifen aus Zinn abgeliefert werden, sie wurden 1924 ersetzt durch Pfeifen aus alumiertem Zink. Gleichzeitig fand eine Generalausreinigung, eine Nachintonation, Stimmung sowie Durchregulierung der Orgel von der „Orgelbauanstalt W. Sauer“, inzwischen Inhaber Dr. phil. h.c. Oskar Walcker, statt. Am 09.07.1924 beauftragte der Kirchenvorstand den damaligen Organisten der Marienkirche und Musikdirektor Prof. Paul Blumenthal mit der Abnahme dieser Arbeiten. Er lobte besonders die kunstgemäße Herstellung und den volltönenden Klang der Ersatzpfeifen.

Nach 1910 setzte eine Orgelbewegung ein, welche das Ziel verfolgte, die in der 2. Hälfte des 19. Jh. und Anfang des 20. Jh. gebauten und romantisch geprägten Orgeln auf das Klangbild der Zeit Bach’s zurückzuführen. Das führte dazu, dass Mitte der 30er Jahre z.B. die Viola 4' durch ein Rankett 4' ersetzt wurde, welches keine glückliche Lösung darstellte. Die Viola 4'  war eine bessere Ergänzung , als das sehr leise und schnell verstimmte Rankett 4'. Den Einbau des Sesquialters 2f im III. Manual kann man akzeptieren. Der Zweite Weltkrieg und der danach ständige Geldmangel verhinderte eine weitere Rückführung der Orgel.

Die Freude war groß, als am 04.07.2001 durch die „Orgelbaufirma Sauer“ die Originaldisposition von 1901 annähernd wiederhergestellt wurde, also die Viola 4' kam wieder an die Stelle des Rankettes 4'. Es ist ein Glücksumstand, dass es diese Firma 100 Jahre nach dem Bau der Orgel noch gibt, und dadurch dieses Opus 860 wirklich eine reine Sauerorgel bleibt. Die Firma Sauer hat aus jahrzehntelanger Verbundenheit zu unserer Gemeinde und zu ihrem Werk diese Rückführung ausschließlich zum Selbstkostenpreis durchgeführt. Dafür sei ihr ganz herzlich gedankt

1967 wurde das Holzpodest  herausgenommen und die Kirche mit Fliesen belegt;  so musste  die Orgel gereinigt und kleinere Reparaturen durchgeführt werden, ebenfalls durch die inzwischen “Volkseigene Orgelbauanstalt Sauer”.

Die Umgestaltung des Kirchenraumes nach konziliaren Anforderungen hatte zur Folge, dass alle schalldämpfenden Gegenstände, wie Hochalter, Nebenaltäre, Figuren, Beichtstühle und Kanzel mit Deckel verschwanden, dadurch schränkte man einige Möglichkeiten der Orgel ein, besonders im Bereich der Forte und des Organo Plenums, da sich die Nachhallzeit mehr als verdoppelte; es muss nun viel vorsichtiger registriert werden.

Die zweite grundsätzliche Veränderung betrifft nicht den Klang dieser Orgel, sondern dem Prospekt. Leider gibt es nur eine ältere Aufnahme über das ursprüngliche äußere Aussehen. Viele ältere Gemeindemitglieder können sich aber noch gut daran erinnern. Anfang der 70er Jahre wurden die Abschlusstürmchen abgesägt. Vielleicht gelingt demnächst eine Rekonstruktion, auch hier möchte die Orgelbaufirma Sauer helfen und hat schon erste Überlegungen dazu angestellt.

Im Laufe der 70er und Beginn der 80er Jahre entstanden einige Schäden an der Orgel durch das undichte Dach der Kirche. Als dieses neu eingedeckt wurde, konnten 1984 diese Schäden beseitigt werden. Kostenpunkt damals 24.000 Mark. Die letzten beiden Generalreparaturen verdanken wir besonders dem langjährigen Leiter des „VEB Orgelbauanstalt Sauer”, Herrn Spallek, welcher immer eine Lösung zwischen staatlich verordneter Bilanzierung der Arbeiten dieses Betriebes und der Erhaltung seiner traditionsreichen Orgeln, welche mit wenigen Mitteln bedacht waren, fand.

Die gute handwerkliche und fachliche Arbeit des Königlichen Hoforgelbaumeisters W. Sauer und seiner Nachfolger verdanken wir jetzt noch nach 100 Jahren den guten Zustand der Orgel. Durch die erwähnten Gründe sind wir heute im Besitz einer fast vollständig erhaltenen romantischen Orgel, welche ihresgleichen weit und breit sucht. Organisten aus inzwischen allen Kontinenten bewunderten immer wieder diese Seltenheit.

Möge auch im kommenden Jahrhundert diese Orgel zur Ehre und dem Lobgesang unseres Gottes dienen.

Peter Bruck, Organist